Kürzlich gingen wir (mein Mann und ich) in ein Restaurant und mir fiel natürlich sofort auf, dass es mehrere junge Hunde (ca. 5 Monate alt) aus der gleichen Rasse gab, die wohl ein sogenanntes Restaurant Training machten.
Alle lagen auf einer Decke und alle waren am Brustgeschirr was mich als positiv arbeitende Trainerin immer direkt freut, wenn ich das sehe.
Die Hunde waren zwar im Raum verteilt aber die Distanz untereinander war trotzdem teilweise nicht mehr als 2 – 3 Meter, was für junge Hunde ja doch eine grosse Herausforderung ist. In einer anderen Ecke des Restaurants gab es einen Tisch mit 2 Paaren und 4 Kindern. Eines der Kinder war es wohl leid so lange rumzusitzen und begann im Restaurant rumzurennen. Die Eltern liessen dies gewähren (was meiner Ansicht nach ausnahmsweise auch mal okay ist). Leider war aber das Kind für die jungen Hunde doch ein hoher Reiz sich ebenfalls zu bewegen und hoppla da war es aus mit meiner Freude. Der Mann direkt neben unserem Tisch reagierte sofort heftig als sich sein junger Hund aus der liegenden Position herausschob und in Richtung Kind ging (spielerisch). Es kam ein scharfes „NEIN“ und die Bezugsperson des Welpen stellte sich vor den Hund und drängte ihn körperlich zurück auf die Decke mit einem heftigen „Platz“. Der junge Hund zog die Ohren sofort an den Kopf, duckte sich weg und legte sich dann auch wieder hin. Es folgte ein weiteres scharfes „Platz“ und ein „Bleib“. Der Hund blieb liegen, wollte sich aber danach gleich wieder bewegen, um dem Kind abermals hinterher zu gehen. Er wurde dann am Brustgeschirr zurückgehalten mit einem weiteren „Bleib“.
Für einen anderen Welpen war es nicht mehr möglich seiner Impulskontrolle entgegenzuwirken und er bellte zum anderen Welpe hin. Sofort kam von der Dame die bei ihm sass ein heftiges „Nein“ und dem Kleinen wurde dann direkt auch die Schnauze zugedrückt.
Ich meinte zu meinem Mann – ich muss hier raus – und wir gingen dann auch direkt raus. Hätte ich was sagen müssen oder können? Ja hätte ich – dann hätte ich mit 5 Welpenbesitzern und wahrscheinlich der Trainerin oder der Züchterin eine grosse Diskussion losgelöst, auf die ich während meines Urlaubes tatsächlich keine Lust hatte. Lohnt es sich in solchen Situationen etwas zu sagen? Ich glaube nein, weil die ganze Situation ja auch für die Bezugspersonen der Welpen schon anstrengend und komplex war. Zudem machten sie ja «nichts falsches» weil sie ja entsprechend angeleitet wurden.
Sind Grenzen wichtig im Leben eines Hundes? Selbstverständlich. Ich möchte auch, dass mein Hund im Restaurant liegen bleibt und nicht allem hinterherrennt oder bellt. Auch möchte ich nicht, dass mein Hund über die Strasse rennt, ständig in der Leine hängt, Tieren hinterherjagt, hinter Motorrädern, Fahrrädern und Traktoren hinterherrast und versucht in die Waden oder Räder zu beissen, etc.
Müssen wir Grenzen über körperliche Bedrängung / Bedrohung, Schnauzengriffe, Leinenrucks, Kicks, und vieles mehr beim Hund ins Hirn einbrennen? Selbstverständlich NICHT.
In der Restaurantsituation wäre es ein so leichtes gewesen, die Welpen für ihr so grossartiges Verhalten – nämlich auf der Decke liegen zu bleiben – zu belohnen. Auch wäre ein zeitlich angepasstes Training sicherlich wertvoll gewesen, weil sich die Impulskontrolle ja verbraucht – bei jungen Hunden viel schneller als bei Älteren. Anstelle von 30 Minuten im Restaurant zu sitzen und die Hunde «zu zwingen» hätte man das Training auch für 10 Minuten machen können, die Hunde häufig und gut für ruhiges Verhalten belohnen und dann wieder gehen.
Wenn ich Hunde oder Kunden-Hunde-Teams trainiere, versuche ich immer zuerst zu etablieren, was die Hunde als Belohnung in der gegebenen Situation annehmen können. Zudem analysiere ich immer, warum der Hund das Verhalten so zeigt wie er es zeigt und überlege mir, was ich im Management des Hundes verändern kann, damit es ihm besser geht. Wenn ein Hund zieht oder ständig in die Leine beisst hat das immer einen Grund. Die wenigsten Hunde beissen aus Spass in die Leine ausser es ist ein apportierfreudiger Hund bei dem das Verhalten vom „Leinen tragen“ aufgebaut oder oft belohnt wurde. Ansonsten ist es immer ein Zeichen von Überforderung, Stress, Flucht (aus Angst) oder vielem mehr (hier gibt es leider nicht den einen Grund sondern es ist extrem individuell).
Unsere Hunde zeigen so oft gutes und erwünschtes Verhalten, welches wir wunderbar schon belohnen können, bevor wir den Hund ins «schlechte» Verhalten laufen lassen. Jetzt denken sicher viele «ja aber» - wenn mein Hund plötzlich einem Reh hinterher rennt, kann ich es ja nicht mehr über Prävention lösen. Absolut korrekt – aber hier lohnt es sich, wenn der Rückruf eben nicht nur zu 70% sitzt, sondern wenigstens zu 98% und es lohnt sich ein super starkes «Stopp» Signal zu trainieren. Grenzen setzen heisst ja nicht, den Hund einfach machen lassen, aber dass man dem Hund gewisse Signal so auftrainiert, dass diese dann in jeder SItuation ausgeführt werden können, auch dann, wenn der Hund in der hohen Erregung oder gestresst ist.
Es gibt so viele faire und nette Wege dem Hund «Grenzen» zu setzen. Schlussendlich ist es auch super individuell welche Grenzen Dir für Deinen Hund wichtig sind. Für mich ist es einfach ein absolutes NO GO die Grenzen über Strafen, Druck und Gewalt auszuführen. Dafür sind wir im Hundetraining viel zu weit um zu wissen, dass es auch anders geht. Danke an alle, die sich hier Gedanken machen und Ihren Trainings-Weg mit der treuen Fellnase überdenken.